Dies ist eins dieser Nominierungsspiele in den Sozialen Medien, die immer mal wieder rumgehen. Vor ein paar Jahren schon habe ich mit einem Bekannten darüber gesprochen, und vor kurzem wurde ich wieder nominiert. Ich solle doch mal die zehn Alben nennen, die mein Leben verändert haben. Es gibt nur ein Problem:

Ich bekomme wahrscheinlich nicht mal zehn Songs zusammen, die mein Leben verändert haben!

Klar, ich habe Lieder, die ich immer wieder gerne höre. Ich habe ja selbst ein paar Schallplatten produziert und mache immer noch Musik. Und ein paar wichtige Songs, die auch auf meinen musikalischen Werdegang Einfluss hatten, gibt es auch. Aber mein Leben verändert? Puh, ich lege mal los, und zwar streng chronologisch, damit niemand da etwas reindeuten kann, was hier nicht steht.

1974: Mein erstes Lieblingslied

Chris Roberts sang den Titel „Du kannst nicht immer 17 sein“. Er schepperte aus dem Autoradio meiner Mutter – und ich war begeistert. Okay, ich war ja auch erst vier Jahre alt. Und 17, das war noch so weit weg, das war ja schon richtig erwachsen. Heute, da ich an den im gleichen Lied besungenen 70 näher dran bin als an der längst vergangenen 17, weiß ich, dass 17 gar nicht sooo toll ist. Schulstress in der Oberstufe, Auto fahren geht auch noch nicht, Filme ab 18 ebenso (zumindest nicht offiziell). Aber damals, da schien mir das etwas Sensationelles. Jetzt weiß ich es besser und mein Leben hat der Song nicht verändert.

1977 Diese hohen Stimmen und dieser Groove

Machen wir einen Sprung vom Schlager zur Disco. Meine wie bereits erwähnt autofahrende Mutter hörte in eben ihrem Fahrzeug, mit dem ich durch die Gegend kutschiert wurde, ja auch viel Boney M. und Frank Farian ist für mich schon ein genialer Produzent. Aber Boney M. bestand ja nicht nur aus „Daddy Cool“ oder „Ma Baker“, sondern auch aus so mancher Schnulze. Und als ich dann zum ersten Mal die Bee Gees mit „Stayin Alive“ hörte, hatte ich mein erstes Lieblingslied, das ich auch heute noch gerne höre. Vielleicht hatten der 128 BpM flotte Beat und dieser Groove, der ja sogar bei der Wiederbelebung nach Herzstillstand tolle Dienste leisten soll, sogar Einfluss darauf, dass ich später auch gerne Clubmusik produzierte. Wäre eigentlich ein bisschen früh, aber wer weiß. Ach, und diese extrem hohen Stimmen, die waren auch irgendwie besonders und faszinierend. Mitsingen ist schwierig.

Die Achtziger – das Jahrzehnt, das mich prägte

Fangen wir 1981 mit dem Debütalbum von Depeche Mode an: Speak & Spell, die einzige Platte von ihnen mit Vince Clarke, finde ich heute noch schön. Wenn mich ein Song davon beeinflusst hat, später auch mal Musik mit Synthesizern zu machen, dann wahrscheinlich „Just Can’t Get Enough“, das wir alle damals hörten, bis uns die Ohren bluteten. Auch Mr. Clarkes Nachfolgeprojekt Yazoo findet sich bei mir in der Plattenkiste, konnten mein Leben aber nicht beeinflussen.

Es folgten die Jahre des Italo Disco von 1982 bis ca. 1985 oder ein bisschen später. Da gibt es einige Songs, die auch meine eigene Musik geprägt haben. Wer wissen will, warum ich so gerne Glöckchen in vielen Songs benutzt habe, hört sich mein Lieblingslied „Fotonovela“ von Ivan an – auch wenn das aus Spanien kommt. Damit hätten wir jetzt drei Lieder, die mein Leben beeinflusst haben, aber nach wie vor kein Album.

29. März 1982: Ich sitze vor dem Fernseher und schaue Na Sowas mit Thomas Gottschalk. Dort spielt die Gruppe Kraftwerk ihren vier Jahre zuvor veröffentlichten Song „Das Model“. Ein so alter Song zur besten Sendezeit? Gibt’s heute auch so gut wie nicht mehr. Während die meisten Zuschauer im Studio nicht verstehen, was da vor ihnen passiert (schau mal das Video auf YouTube an und in die Gesichter der Leute!), waren mir diese elektronischen Klänge schon sehr vertraut. Die ganze Platte „Die Mensch Maschine“ ist in meinen Augen (und Ohren) perfekte elektronische Popmusik. Damit hätten wir endlich ein Album, das mein Leben beeinflusste.

Meine Liebe zu Drumcomputern kommt von zwei Dingen: 1. ein Interview mit eben erwähntem Vince Clark, der darin sinngemäß sagte, dass er Drumcomputer liebe, weil die von der Bühne fallen könnten und immer noch spielen würden. 2. Von der meistverkauften Vinyl-Maxisingle aller Zeiten: New Order – „Blue Monday“. Das ist dann Song Nr. 4.

Parallel machte ich einen Abstecher zur Gitarrenschrammelmusik. Von den von 1983 bis 1988 aktiven The Housemartins habe ich jede Maxisingle und alle Alben. Finde ich auch heute noch schön, aber kein einziger Song davon hat mein Leben beeinflusst. Auch die spätere Solo-Platte des Housemartins-Bassisten Norman Cook, besser bekannt als Fatboy Slim, „You’ce Come a Long Way, Baby“, finde ich nach wie vor toll und höre sie ab und zu ohne Beeinflussung auf mein Leben.

1987 brachte Depeche Mode eine Single auf den Markt, die ich so ganz okay fand: „Behind The Wheel“. Das Besondere daran: Die B-Seite ist eins meiner Lieblingslieder, und zwar in allen Versionen, die sich auf der Maxi befinden: „Route 66“. Das alte Original von 1946 ist die Hymne auf die wohl berühmteste Autobahn der USA. Aber erst diese Version ist für mich die beste. Ich bemerkte sie übrigens erst 1989, als sie als Titelsong des Films 101 zum gleichnamigen Album fungierte. Der Film verstaubt bei mir als VHS-Kassette im Keller, aber den Song höre ich in allen Remixen immer wieder gerne. Nehmen wir ihn mal als 5. Song in die Liste auf.

Okay, und noch ein für mich wichtiger Song: 1989, als die Acid-Welle auch den Mainstream erreichte, gab’s S’Express mit „Theme from S’Express“. Ab da musste ich auch eine Roland TB-303 haben, die ich mir aber erst drei Jahre später zulegte. Zum Glück noch rechtzeitig, bevor die Silberkisten unbezahlbar wurden. Da ich den Sound liebe, darf sich das ruhig rühmen, mein Leben beeinflusst zu haben.

Die 90er – ich mache selbst Musik

Ein Jahr später, 1990, brachten Depeche Mode ihr meiner Meinung nach bis heute bestes Album auf den Markt: „Violator“. Ich habe ja über die Jahre einige Maxisingles, Remixes, Alben und was weiß ich noch alles von denen gekauft. Aber ich trage sehr selten mal schwarz, habe nie ein Konzert von ihnen besucht und kann außer „Just Can’t Get Enough“ und „Route 66“ keinen Song von ihnen nennen, der mein Leben beeinflusst hat.

Im Jahr 1991 produzierte ich meine erste eigene Maxisingle, die dann Anfang 1992 erschien. Klar beeinflusste die mein Leben, zeigte sie mir doch, dass ich in der Lage war Musik zu produzieren, die andere Leute nicht nur hören, sondern sogar kaufen wollen. Das ist dann Song Nr. 7.

Der letzte Song, der mein Leben beeinflusste, war natürlich 1993 „Ready to Flow“ von meiner Nikolai EP. Mein größter Hit hat mir meinen Jugendtraum erfüllt, denn ich wollte auch mal auf dem spanischen Label Max Music erscheinen, dessen Platten ich zur Italo-Disco-Zeit kaufte. Das Original kam ja bei Le Petit Price raus, aber unter der Katalognummer NM 926 MX schaffte ich 1994 den Sprung nach Spanien.

Fazit dieser musikalischen Reise

8 Songs, ein Album. Mit Ach und Krach habe ich die zusammenbekommen. Musik beeinflusst mein Leben vielleicht täglich so sehr, dass ich es gar nicht merke und deshalb keine weiteren Songs oder gar Alben zu nenne vermag. Musik begleitet mich schon immer und die hier genannten Songs waren sicher prägend für mein eigenes Schaffen. Dazu kommt auch jede Menge Musik, die ich einfach gerne höre. So mag ich ja auch zum Beispiel The Who oder AC/DC sehr gerne, ohne dass sie gleich mein Leben veränderten.

Daher bin ich nicht in der Lage, bei diesem Spiel mitzumachen und zehn entsprechende Alben zu nennen. Ich hoffe, das reicht als Erklärung.

Nikolai

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